Gipfelkreuze in den Tannheimer Bergen

Gipfelkreuze in den Tannheimer Bergen

Viele Wandernde fühlen sich beim Bergsteigen mit etwas Göttlichem verbunden. Andere nutzen es, um dem Alltagsstress zu entkommen oder ihre eigenen Grenzen auszuloten. Ob man in den Gipfelkreuzen der Tannheimer Berge nun spirituelle Symbole, Wegmarken oder einfach schöne Fotomotive sehen möchte, steht jedem frei. Jedoch sind sie vor allem eines: ein Stück Geschichte. 

Gipfelkreuze stehen unter anderem auf der Läuferspitze, aber auch auf der Roten Flüh, die im Süden der Tannheimer Berge auf 2.111 Metern Höhe liegt. Hier führt der Aufstieg von Nesselwängle aus am Gimpelhaus und an der Judenscharte vorbei. Es geht an imposanten Felsmauern entlang und steil bergauf. Eine kleine Felsstufe mit eingemeißelten Tritten und grasige Steilhänge führen dann hinauf zum Gipfel,
wo sich einem ein wunderbarer Panoramablick über den Haldensee bietet.
Der Weg zum Gipfel mag zwar eine Herausforderung sein, doch oben angekommen ist ein beeindruckender Anblick die Belohnung: das Gipfelkreuz. 

Gipfelkreuz Rote Flüh

Das Gipfelkreuz auf der Roten Flüh

Auf der Roten Flüh wurde 1954 ein Gipfelkreuz in Zusammenarbeit mit den Männern aus Tannheim errichtet. Die Breitseite des Kreuzes zeigte nach Tannheim, während in Nesselwängle nur der Stab auf dem Gipfel zu sehen war. Das sorgte für Unmut bei der Dorfbevölkerung und eines strahlenden Morgens blickte das Gipfelkreuz plötzlich mit der breiten Seite nach Nesselwängle – man hatte es aus der Verankerung gehoben und gedreht. Das geschah zum Ärger der Tannheimer, die sich revanchierten, was sich die Nesselwängler nicht bieten ließen. Der Drehwurm begann von Neuem und es kam zum sogenannten „Kreuzstreit“. Schließlich demontierte man das Gipfelkreuz.
Es wurde ins Tal getragen und von den Tannheimern auf ihrem Hausberg aufgestellt – auf die Lachenspitze hoch über dem Vilsalpsee.

Nach Entfernung des Kreuzes zimmerten sich die Nesselwängler ihr eigenes neues Kreuz in eigener Initiative auf der Roten Flüh. Doch wegen vieler Blitzeinschläge musste man das alte Kreuz 1967 durch ein neues ersetzen. Hartwig Singer, Leo Schuster und andere Helfer fertigten es an. Danach seilte man es mittels einer behelfsmäßigen Seilbahn über die Südwand zum Gipfel auf. Zunächst war es vor dem Aufseilen bereits fast bis zur Judenscharte getragen worden, bis man schließlich doch beschloss,
es müsste über die Wand auf den Gipfel.

Eine jahrhundertealte Tradition in den Tannheimer Bergen

Die ersten Gipfelkreuze gab es bereits im 13. Jahrhundert in der katholisch geprägten Region der Alpen. Ähnlich wie die Madonnenstatuen in Italien hatten sie ursprünglich also religiöse Hintergründe. Aber das ist nicht alles. Im 16. Jahrhundert markierten sie Alm- sowie Gemeindezentren und im 19. Jahrhundert wurden sie bei der Erstbesteigung eines Berges aufgestellt. Im Sinne der Aufklärung repräsentierte das Gipfelkreuz zu dieser Zeit eher die menschliche Leistung als Gottesfurcht. 

Nach dem zweiten Weltkrieg standen auf einmal so viele Kreuzen auf den Gipfeln wie nie zuvor. In den Tannheimer Bergen dienen sie dem Gedenken an Kriegsgefallene und als Zeichen der Dankbarkeit für Heimkehrende. Lange Zeit bestand dieser Gipfelschmuck aus Holz, später wurden die Kreuze dann mit Metall umschlagen, damit sie jeder Witterung standhalten.  

Heutzutage kann jeder den Kreuzen in den Tannheimer Bergen seine ganz eigenen Bedeutungen zuschreiben. Ob nun als persönliches Zeichen für ein erreichtes Ziel,
als religiöses Symbol oder etwas völlig Individuelles.

Bilder: Archiv – Bergrettung Nesselwängle – Grän (Rote Flüh)