Heimatmuseum
Geschichte(n) aus dem Buch des Lebens
Im Heimatmuseum des Tannheimer Tals wird das Gestern zum Heute und liefert Erinnerungsstücke - Futter für die Fantasie.
Es sieht aus, als würde hier gleich jemand seine Nachtruhe beginnen. Das Bett ist noch gemacht, aber das Schlafgewand liegt schon anziehbereit auf der Decke. Schmucke Fleckerlteppiche auf dem Holzboden versprechen „warme Füße“ für die letzten Schritte dorthin. Ein Kreuz an der Wand und ein frommes Christusbild erinnern an das Nachtgebet. Wohl manchem Besucher in dieser bäuerlichen Schlafstube kommt der Gedanke nach der Person, die als letzte dies alles im wirklichen Leben genutzt hat – bevor es Teil des Tannheimer Heimatmuseums wurde. Genauso wie der stolze, mit bunter Malerei geschmückte Kleiderschank, einer Schatztruhe ähnlicher als einem Baumarkt-Möbel. Oder wie der schmucke Lehnstuhl, dessen kunstvoller Handwerksarbeit man bis heute die Wertschätzung der einstigen Besitzer ansieht.
Jeder Raum erzählt eigene Geschichten
Das Heimatmuseum, untergebracht in einem alten Bauernhaus im Ortsteil Kienzen, ist mehr als nur eine Bewahranstalt für schöne alte Sachen. Jedem Raum merkt man an, dass er Geschichten erzählt, einen Zusammenhang herstellen soll: mit dem Leben, das die Menschen im Tannheimer Tal einst führten. „Wer hat dieses Glas zuletzt in der Hand gehabt? Wie mag das in der Küche an einem Sonntagmittag geduftet haben? Wozu haben die Werkzeuge gedient? Wer war der Uhrmacher, dessen Instrumente so daliegen, als sei er nur gerade einmal kurz vor die Tür gegangen?“ Mit ein bisschen Fantasie, meint Anastasia „Stasi“ Wassermann, füllen die Antworten auf diese und andere Fragen ganze Bücher. Die Kulturführerin begleitet regelmäßig Gäste durch das Heimatmuseum und weiß aus einer schier endlosen Fundgrube von Geschichten und Anekdoten zu erzählen.
Musik liegt in der Luft
Einer ihrer Favoriten ist dabei der Lehrer und Musiker Anton Peterlunger. Er ist eine der prägenden Gestalten in der jüngeren Geschichte des Tannheimer Tals. Nicht nur wegen des Unterrichts, mit dem er viele Schülergenerationen fit für den Weg ins Leben gemacht hat. Unter anderem war er einer von denen, die vor mehr als 100 Jahren einen Verein aus der Taufe hoben, der den Tourismus ins schönste Hochtal Europas anregen sollte. Wie wir heute wissen: mit Erfolg. Das wohl bekannteste, mit seinem Namen verbundene Ausstellungsstück im Museum ist ein kleiner, handgeschnitzter Friedhof, der an seine gefallenen Schüler im Ersten Weltkrieg erinnert. Aber auch sein musikalisches Schaffen findet sich prominent im Heimatmuseum wieder – in Gestalt alter Instrumente zum Beispiel. Die werden 2021 noch mehr in den Mittelpunkt rücken, verrät Stasi Wassermann, „wir bereiten das gerade vor, das wird ein großes Erlebnis“.
Wanderbares Ziel
Auch wenn das Heimatmuseum in Kienzen direkt an verschiedenen Wanderrouten durchs Tannheimer Tal gelegen ist: Wenn es hier einen Ort gibt, den man nicht „im Vorübergehen“ besuchen, sondern mit ausgiebig Zeit besuchen sollte, dann diesen. Immer mittwochs und freitags stehen kundige Mitglieder des Museumsvereins bereit, um mit ihren Gästen einzutauchen in die Geschichte des Tals und seiner Menschen. Im Großen wie im Kleinen warten dabei Eindrücke auf die Betrachter und Zuhörer, die noch lange nachwirken.
Bilder: Achim Meurer