Vilsalpsee - Teil 3

Der Vilsalpsee im Tannheimer Tal: Der Natur auf der Spur

Haben Sie schon einmal davon gehört, dass es Tiere gibt, die in kalten Zeiten gefrieren und das trotzdem überleben? Glauben Sie nicht? Dann hören Sie mal, was Caroline Winklmair, Schutzgebietsbetreuerin am Vilsalpsee, dazu zu sagen hat.

„Die Natur ist schon beeindruckend“, sagt Caroline Winklmair. Sie ist Schutzgebietsbetreuerin in Tirol und unter anderem für das Naturschutzgebiet Vilsalpsee zuständig. Daher weiß sie einiges über das Ökosystem des Sees und die Tierwelt, die darin lebt. Dazu gehört beispielsweise, welches Seeufer man besser meiden sollte, weil es das Laichgebiet einiger Amphibien sowie das Brutgebiet der Wasservögel ist. Und auch zu anderen geflügelten Tieren weiß sie so einiges zu erzählen: Etwa zur Wasserfledermaus, die im Frühjahr aus ihrem Winterschlaf erwacht und über dem Vilsalpsee auf Beutezug geht.

Blühende Wiese im Frühling vor dem Vilsalpsee im Tannheimer Tal

Was sie nun aber meint, wenn sie von „beeindruckender Natur“ spricht, ist ein anderes Lebewesen mit Flügeln: der Zitronenfalter. „Normalerweise überwintern Schmetterlinge als Raupen“, sagt Caroline Winklmair. „Es gibt aber ein paar Ausnahmen, die auch als adulte, also erwachsene Schmetterlinge überwintern. Dazu gehört der Zitronenfalter, der am Vilsalpsee zu finden ist.“ Eine besonders herausragende Eigenschaft dieses Falters sei es, dass er dabei komplett ungeschützt ist, etwa auf Zweigen von Bäumen und Sträuchern. „Dort verharrt er regungslos und wird dabei sogar von Eis und Schnee bedeckt. Andere Verwandte dieser Art würden sich in schützendes Laub oder ähnliches zurückziehen“, sagt die Natur-Expertin. In dieser Winterstarre kann der Zitronenfalter bis zu minus 20 Grad Celsius völlig schadlos überstehen. Der Schnee, der ihn dabei bedeckt, ist sogar besonders nützlich: Denn er dient als Isolation und schützt ihn damit vor noch stärkerer Kälte. Wer schon einmal in einem Iglu übernachtet hat, kennt das: Darin bleiben die Temperaturen stets konstant bei etwa 0 Grad Celsius, egal wie kalt es außerhalb des Schnee-Zeltes ist.

Übrigens: Richtig zitronengelb sind beim Zitronenfalter nur die Männchen gefärbt. Die Weibchen haben eine blass grünlich-weiße Färbung.

Wenn Tiere am Vilsalpsee „zu Eis werden“

Die Winterstarre kommt bei Amphibien, Reptilien und – wie im Falle unseres Zitronenfalters – ebenso bei manchen Insekten vor. Säugetiere können das allerdings nicht, denn sie gehören nicht zu den wechselwarmen Tieren. Ihre Körperkerntemperatur, also auch die des Menschen, ist unter normalen Umständen immer gleich. „Wechselwarm bedeutet das Gegenteil, also dass die Körpertemperatur dieser Tiere schwankt und von äußeren Einflüssen abhängig ist. Je höher die Außentemperatur und je mehr die Sonne auf sie herabstrahlt, desto mehr erwärmt sich ihr Körper. Bekommen sie nicht genug Wärme von außen ab, wird ihr Stoffwechsel stark herabgesetzt – im Winter führt das zur Winterstarre“, erklärt Caroline Winklmair. „Außerdem können sie ihre Körperwärme nicht aktiv erhalten. Das hat den großen Vorteil, dass sie in kalten Zeiten kaum Energie benötigen und so viel länger hungern können als Gleichwarme.“

So verhält es sich auch beim Grasfrosch, der ebenfalls rund um den Vilsalpsee im Tannheimer Tal beheimatet ist. Denn auch sein Körper kann gefrieren – und zwar im wahrsten Sinne des Wortes. Caroline Winklmair erklärt das folgendermaßen: „Der Grasfrosch führt es aktiv herbei, dass sich in seinem Blut und in seiner Lymphflüssigkeit Eiskristalle bilden. Diese Eiskristallbildung ist Auslöser dafür, dass Glykogen aus der Leber mobilisiert wird. Ein Abbauprodukt von Glykogen, die Glukose, wirkt als Frostschutz. Das Blut des Froschs verteilt diesen Schutz in das umliegende Gewebe und hindert ihn somit am Erfrieren bei Temperaturen unter 0 Grad Celsius.“ Ein echtes Wunder der Natur also.

Wie passen so viele Eier in einen Frosch?

Steigen die Temperaturen wieder, taut der Grasfrosch auf und begibt sich zum Laichen an den Vilsalpsee. Dort legt ein Weibchen hunderte bis tausende Eier in besonders großen Laichballen ab. Doch wie passen die eigentlich in so einen kleinen Frosch? „Der Embryo ist lediglich das schwarze Pünktchen, das umgeben ist von einer Gallerthülle. Im Körper ist das Ganze noch stark komprimiert, die Gallerte ist nur in ihrer Grundsubstanz angelegt. Erst wenn sie außerhalb des Weibchens mit Wasser in Berührung kommt, quillt sie richtig auf“, sagt die Schutzgebietsbetreuerin. Dabei dient sie als Schutz für die Embryonen, aus denen sich später Kaulquappen und daraus wiederum ausgewachsene Frösche entwickeln.

Während die meisten Amphibien zur Fortpflanzung Eier legen, gibt es auch eine Ausnahme. Nämlich den Alpensalamander, der ebenfalls in der Umgebung des Vilsalpsees im Tannheimer Tal zu finden ist. Er gehört zu den Schwanzlurchen, fällt durch seine schwarze Färbung auf und gebärt lebend, wodurch er nicht zwangsweise auf eine nahe Wasserquelle angewiesen ist. „Das ist eine Anpassung der Natur an die oft wasserarmen Lebensbedingungen im Hochgebirge, in dem der Alpensalamander zumeist lebt“, weiß Caroline Winklmair. Er ist dämmerungs- und nachtaktiv, während oder nach einem Regen aber auch tagsüber unterwegs. Nicht selten sieht man ihn auf Wanderwegen, wo er oft erst im letzten Moment zu sehen ist – Achtung, nicht zertreten!

Bilder:
Wolfgang Ehn
Zitronenfalter: adobestock.com/Joubin1969
Grasfrosch: adobestock.com/David Daniel
Alpensalamander: adobestock.com/bennytrapp