Osterbräuche im Tannheimer Tal

Osterbräuche im Tannheimer Tal: Das Palmenbinden und Rätschen

Im idyllischen Tannheimer Tal sind unzählige jahrhundertealte Bräuche heute noch lebendig. Darunter auch das Palmenbinden und Rätschen als bewährte Ostertraditionen.

Eine kleine Stadt im Nahen Osten, vor über 2000 Jahren: Die Aufregung ist groß,
als eine Gruppe von Menschen sich am Stadttor versammelt und ungeduldig auf den Mann auf dem Esel wartet. Es ist Jesus von Nazareth. Als er sich der Menschenmenge nähert, fängt sie an, Palmenzweige zu schwenken, um ihn als Fürsten des Friedens und der Gerechtigkeit zu ehren. Dieser Tag ist bis heute als Palmsonntag bekannt und erinnert an den Einzug Jesu in Jerusalem.

Palmenbinden an Ostern

Palmsonntag im Tannheimer Tal

Der Palmsonntag ist ein Tag voller Bedeutung und Erinnerungen. Er läutet die Karwoche ein, in der wir uns an das Leiden Jesu erinnern und seine Auferstehung feiern.
In vielen Teilen der Welt werden an diesem besonderen Feiertag bunte Palmenwedel in den Gottesdienst mitgebracht. Auch im Tannheimer Tal halten die Menschen an diesem alten Brauch fest. Da es hier allerdings keine Palmen gibt, wird stattdessen Wacholder verwendet. Dieser ist zur Osterzeit bereits grün und gut haltbar und eignet sich bestens zum Palmenbinden.

Früher hingen die Palmen in den Bauernstuben im sogenannten Herrgottswinkel. Dies war der Winkel mit der Eckbank, an dem immer ein Kreuz hing, hinter das der Palmebuschen dann eingesteckt wurde.

Damals sei es nur den Buben gestattet gewesen, Palmen zu binden, helfen durften aber immer alle. Heute sind es hauptsächlich die Kinder, die sich der Aufgabe des Palmenbindens widmen. Aber sie brauchen natürlich auch die Hilfe von Erwachsenen.

Der Prozess des Palmenbindens

Natürlich ist das genaue Vorgehen von Ort zu Ort sowie von Familie zu Familie anders. In Zöblen beispielsweise werden die Palmen aus Eberesche-Zweigen in der Mitte gebunden und dann mit Wacholder umwickelt. Anschließend werden Weidenkätzchen mit geteilten Weidenästen zusammengebunden und bunte Bänder in Regenbogenfarben eingeknotet. Je nach Familie oder Ortschaft ist es Brauch, dass die Kinder von Haus zu Haus gehen und die Bewohner:innen fragen, ob sie Palmen bringen dürfen. Am Palmsonntag werden die Palmen dann in den Kirchen geweiht und anschließend unter denjenigen verteilt, die um eine Palme gebeten haben. Als Belohnung für das Palmenbinden erhalten die Kinder Geldspenden.

In manche Ortschaften wie in Nesselwängle binden die Erstkommunion- und Firmungskinder die Palmen, falls der Nachwuchs an jüngeren Palmenbindern gerade knapp ist, und verkaufen diese für eine guten Zweck. In Jungholz wiederum werden die Palmen aus sechs verschiedenen Zweigen gebunden.

Ein weiterer Osterbrauch im Tal

Ein weiterer Osterbrauch aus dem Tannheimer Tal ist das so genannte Rätschen. Stündlich hört man am Karfreitag und Samstag bis zur Osternacht die Holzrätschen, die von den Ministrant:innen bedient werden. Die Geräusche ersetzen die in der Zeit verstummten Osterglocken. Sobald Jesus auferstanden ist, ertönt wieder der Klang der Kirchenglocken.

Bilder: Stefanie Radolf

Palmenbinden in der Kirche